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Es war einmal … ein König! Nein, falsch! Es war einmal ein Stück Holz.
Eigentlich soll das grobe Stück Holz ein Tischbein werden. Aber dann überlegt es sich der alte Gepetto anders: er schnitzt sich daraus eine Marionette, die ihn immer lieben soll und mit der er sich ein Zubrot verdienen will. Doch es kommt anders, als er gedacht hat: Pinocchio, die Holzpuppe, hat eine laute Stimme, schräge Ideen, übermütigen Eigensinn, großzügiges Mitgefühl, reichlich Neugier und naive Beherztheit und rennt von einem Abenteuer ins nächste. In brenzligen Situationen lügt er auch gelegentlich, und dann wird seine Nase länger. Jedes Mal, wenn er haarscharf einer Katastrophe entkommt, denkt er bei sich: Ich möchte so sehr ein braver Junge werden, um jeden Preis!

Wie hoch ist der Preis? Was muss er aufgeben, um ein „braver“ Junge zu werden? Nicht mehr wild, zutraulich und warmherzig, sondern angepasst, artig, arbeitsam. Menschwerdung kostet.
Wir lernen die Holzpuppe dieses italienischen Kinderbuchklassikers bei seiner Geburt kennen, er lernt reden, er lernt laufen, er lernt tanzen, er ist vier, sechs, acht und zwölf Jahre, bis er mit Sechzehn beginnt Wünsche und Bedürfnisse eines Pubertierenden zu zeigen. Die ihn umgebende Welt erkennt dabei die „Ausmerzungsbedürftigkeit“ der wilden Züge des wagemutigen, entdeckungslustigen Pinocchio und unsere Holzpuppe muss die bittere Medizin der Erwachsenenwelt kennenlernen und ihre Methoden, um Kinder für diese Welt „passend“ zu machen, damit sie im System reibungslos funktionieren.

Das Panoptikum dieser moralisierenden Erziehung ist groß: mit emotionaler Kälte, offensichtlicher Erniedrigung, sexueller Tabuisierung, eiskalter Demütigung, ständiger Kontrolle, wohlgemeinter Erpressung, ungezügelter Bestrafung, lukrativer Manipulation oder psychischer Gewalt versuchen die skurrilen Figuren um Pinocchio, ihn in die vermeintlich „richtige“ Richtung zu ziehen, um aus ihm einen gehorsamen, vernunftbegabten Untertanen zu fabrizieren und ihn damit seiner heiß ersehnten Menschwerdung näher zu bringen.
So rennt und stolpert der Holzjunge Pinocchio aus dem seligen Zustand kindlich-naiver Lustbetontheit in immer größere Zweifel an seinem eigenen impulsiven Wünschen und macht sein eigenes Glücksempfinden immer stärker abhängig vom Glück und Wohlergehen anderer, insbesondere seines „Vaters“ Gepetto.

Am Schluss schaut ein Junge namens Pinocchio auf seinen nun leblosen Holzkörper und denkt: Wie lustig war ich, als ich eine Marionette war und wie glücklich bin ich jetzt, wo ich ein braver kleiner Junge bin! Was wünschen wir uns und welchen Preis sind wir bereit dafür zu zahlen? Wie lang sind unsere Nasen?

Trailer

Pinocchio, auch für Erwachsene!